Depressiver Partner: So gehst du mit der Krankheit um
Dein Partner oder deine Partnerin hat sich verändert. Früher war der Mensch an deiner Seite lebensfroh, voller Tatendrang und hatte immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Jetzt hat er Schwierigkeiten, aus dem Bett zu kommen, ist sehr schnell erschöpft, hat auf nichts mehr Lust und ist womöglich sogar ständig gereizt oder aggressiv. Du vermutest, dass er unter einer Depression leidet? Wir zeigen dir auf, an welchen Symptomen du einen depressiven Partner erkennst, wie du mit seiner Krankheit umgehst, welche Möglichkeiten es auf Heilung gibt und wann es für dich und dein Seelenheil besser wäre, die Beziehung loszulassen.
Inhalt:
Depression: Die wichtigsten Fakten im Überblick
Laut der „Stiftung Deutsche Depressionshilfe“ leiden derzeit in Deutschland 11,3 Prozent der Frauen und 5,1 Prozent der Männer an einer Depression. Im Schnitt sind im Laufe eines Jahres 8,2 Prozent der deutschen Bevölkerung erkrankt, was umgerechnet rund 5,3 Millionen Menschen entspricht. Die Krankheit wird häufig unterschätzt, zumal sie oft nur phasenweise auftritt. Es kann sein, dass betroffene Menschen über Wochen und Monate hinweg ein normales Leben führen, bevor wieder eine depressive Episode einsetzt. Diese kann innerhalb nur weniger Tage auftreten und sich erneut über Wochen oder Monate ziehen.
Eine tiefenpsychologische Studie des Rheingold Instituts in Köln sprich von sechs Phasen, die im Zuge einer depressiven Erkrankung nacheinander auftreten:
- Phase 1 und 2: Perfektionismus und Versagensgefühl: Hohe Ansprüche werden nicht mehr erfüllt und als persönliches Scheitern empfunden.
- Phase 3: „Stilllegung“: Die Betroffenen ziehen sich zurück und setzen sich mit dem Problem nicht mehr auseinander.
- Phase 4: Gleichgültigkeit: Die Betroffenen entwickeln absolute Gleichgültig gegenüber ihren Aufgaben, Pflichten, aber auch sozialem Umfeld. Sie priorisieren nicht mehr und treffen auch keine Entscheidungen mehr.
- Phase 5: Lethargie: Die Betroffenen zeigen sich nach außen antriebslos, obwohl das innere Gedankenkarussell läuft. Die Folge ist beispielsweise extreme Schlaflosigkeit.
- Phase 6: Resignativ-verbitterte Symptombehandlung: Die Erkrankten versuchen mit medikamentöser Hilfe die Symptome ihrer Erkrankung zu bekämpfen (ohne aber an der Ursache zu arbeiten).
Diese Symptome deuten auf eine Depression hin
Eine Depression wird dann diagnostiziert, wenn mindestens zwei Hauptsymptome und mindestens zwei Zusatzsymptome über mehr als zwei Wochen bei einer Person auftreten. Folgende Anzeichen könnten Aufschluss darüber geben, ob du einen depressiven Partner oder eine depressive Partnerin hast.
Zu den drei Hauptsymptomen zählen:
- Verlust von Interessen und Freude: Gerade bei Tätigkeiten, die einem früher Spaß gemacht haben.
- Gedrückte (depressive) Grundstimmung: Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit, Lustlosigkeit bei Entscheidungen bis hin zur Gleichgültigkeit.
- Verminderter Antrieb: Erhöhte Müdigkeit oder schnelle körperliche Erschöpfung bei oft schon banalen Tätigkeiten. Alles erfolgt wie gegen einen bleiernen Widerstand.
Als zusätzliche Symptome können in Erscheinung treten:
- Schlafstörungen
- Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit
- Appetitminderung (oft Gewichtsverlust)
- Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
- Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
- Suizidgedanken / Suizidhandlungen
Viele Erkrankte leiden zusätzlich an körperlichen Beschwerden wie Magen-, Kopf- oder Rückenschmerzen, haben ein höheres Schmerzempfinden und eine kraftlose Körperhaltung. Die Betroffenen fühlen sich niedergeschlagen und traurig, können aber auch aggressive Züge und Feindseligkeit gegenüber anderen Menschen entwickeln. In Partnerschaften macht sich eine Depression zusätzlich auch am Libidoverlust und fehlendem sexuellen Interesse bemerkbar.
Kann eine Beziehung mit einem an Depression erkrankten Partner gelingen?
Eine Depression kann die Beziehung in Frage stellen, da für den nicht-depressiven Part diese Symptome schnell zur Herausforderung, ja sogar zur Überforderung werden können. Nicht selten führt das zu Beziehungskrisen. Eine Depression muss noch nicht gleich das Aus einer Beziehung bedeuten. Der gemeinsame Kampf gegen den unsichtbaren Feind kann die Partnerschaft sogar stärken. Für dich als „gesunden“ Partner oder Partnerin gilt es umso mehr, dich von deinem depressiven Gegenüber nicht mitreißen zu lassen oder dich gar in emotionale Abhängigkeit zu begeben, sondern dich nach wie vor am Leben zu erfreuen und auch auf dich selbst bedacht zu sein. Nur so kannst du genügend Stärke entwickeln, deinem erkrankten Partner zur Seite zu stehen. Die oberste Devise lautet hier: mitfühlen, aber nicht mitleiden.
Depressiver Partner: Tipps für den richtigen Umgang
Viele depressive Menschen leiden zusätzlich, wenn sie von ihrem Partner wenig Verständnis entgegengebracht bekommen. Sätze wie „Hab dich nicht so“ oder „Jetzt reiß dich mal zusammen“ bewirken oft, dass sich Betroffene erst recht allein oder im Stich gelassen fühlen. Empathie und Verständnis sind Schlüsselwörter, mit denen du deinen depressiven Partner zur Seite stehen kannst. Folgende Tipps können dir dabei helfen:
- Oberste Priorität: Nimm die Erkrankung deines Partners ernst!
- Unterstütze ihn dabei Struktur herzustellen. Wie etwa das Einhalten und Organisieren von Arztterminen, die Einnahme von Medikamenten oder auch bei kleinen Alltagsaufgaben.
- Mach Vorschläge für gemeinsame Aktivitäten oder Rituale (wie Abendspaziergänge oder Essenszeiten) – sei aber nicht enttäuscht und nimm es nicht persönlich, wenn deinem Partner gerade die Kraft dazu fehlt und setze ihn vor allem nicht unter Druck.
- Übernimm nicht die Rolle des Therapeuten. Manche Ratschläge können nett gemeint, aber nicht immer zielführend sein. Überlass das lieber einem Experten oder Therapeuten.
- „Mein Partner ist depressiv, ich kann nicht mehr!“ – Wenn du diese Aussage unterstreichen kannst, dann hol dir selbst Hilfe. Es gibt Anlaufstellen für Angehörige depressiver Menschen, wo du Unterstützung erhältst.
Beziehung mit einem depressiven Menschen beenden: Wann es besser ist, loszulassen
Depression ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern. Manche depressive Episoden können einmalig auftreten und haben nur einen leichten Verlauf. Manche wiederholen sich in regelmäßigen Abständen („Winterdepression“) und wiederum manche äußern sich in depressiven Störungen (Dysthemie) oder sogar in einer bipolaren Depression, die schon manische Züge annehmen kann – von himmelhoch jauchzend bis hin zu zu Tode betrübt. Nicht jeder Mensch hat auch das Rüstzeug dazu, den Kampf mit der Depression in einer Partnerschaft auf sich zu nehmen. Oft opfern sich Angehörige je nach Intensität der Erkrankung so sehr auf, dass sie ihre eigene Lebensfreude verlieren und sich von dem Sog negativer Emotionen mitreißen lassen.
Wenn du selbst merkst, dass du dadurch in depressive Phasen abrutschst, solltest du um deiner eigenen Gesundheit Willen Konsequenzen ziehen und dich besser von deinem depressiven Partner trennen. Die Beziehung ist am Ende, wenn du merkst, dass du keine Gefühle mehr zu deinem Partner wegen seiner Depression hast. Dies kann sich vor allem darin zeigen, dass du womöglich in Co-Abhängigkeiten verstrickt bist, zu denen du emotional überhaupt keinen eigenen Bezug hast. Ein Zeichen dafür, dass du vielleicht sogar schon deine Selbstliebe ad acta gelegt hast. Wenn die Depression allerdings Aggression gegen den Partner hervorruft, gilt es allein schon aus Selbstschutzgründen einen Schlussstrich zu ziehen.
Fazit: Depressionen sind unter professioneller Hilfe heilbar
Sollte dein Partner oder deine Partnerin an einer Depression erkrankt sein, muss das noch nicht das Beziehungsende bedeuten. Je nach Verlauf oder Stärke einer depressiven Episode kann die Erkrankung auch im Rahmen einer professionellen Depressionsbehandlung heilbar sein. Ein individuell auf den Patienten abgestimmter Behandlungsplan kann Symptome und Beschwerden lindern, die berufliche und soziale Leistungsfähigkeit wieder herstellen und die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls oder Wiedererkrankung minimieren. Die Behandlungswege können über eine psychotherapeutische Begleitung sowie dem Einsatz von Medikamenten (Antidepressiva) verlaufen. Für einen Behandlungserfolg ist aber auch entscheidend, wie sehr die betroffene Person zu einer Therapie bereit ist.