Liebessucht – für dich tue ich alles
Liebessucht ist Gift für die Beziehung. Kennst du diese Situation? Eine halbe Stunde ist es jetzt schon her, dass ich ihm die Nachricht geschickt habe. Er hat sie gelesen, er ist online. Doch warum antwortet er nicht? Ich muss mich ablenken, irgendetwas anderes tun, nicht immer auf das Handy starren. Warum schreibt er nicht? Bestimmt chattet er gerade mit einer anderen. Oder er hatte einen Unfall! Am besten, ich rufe ihn an. Nur um sicherzugehen. Oder? Nein, dann denkt er womöglich, ich laufe ihm nach. Antworte! Ohne dich bin ich nichts! Du bist mein Ein und Alles!
Wer solche oder ähnliche Gedanken kennt, kann von Liebessucht eingenommen sein. Dabei ist das pausenlose Warten auf einen Anruf oder eine Nachricht nur eins der vielen Symptome. Meist sind es Frauen, die eine solche obsessive Liebe entwickeln, auch wenn es unter den Betroffenen Männer gibt.
Inhalt:
Was bedeutete es eigentlich süchtig vor Liebe zu sein?
Unter Liebessucht verstehen wir die Abhängigkeit von den Gefühlen des Partners, die mit dem permanenten Wunsch nach Bestätigung und Gemeinsamkeit einhergeht. Dahinter steht meist die Überzeugung, nur durch diese Bestätigung zu einer vollständigen Person zu werden. In der Folge geben Betroffene die persönliche Freiheit komplett auf.
Krankhafte Liebe und ihre Anzeichen
Wenn du die vier folgenden Aspekte kennst, sollten bei dir die Alarmglocken läuten, da sie auf das Verhalten eines Süchtigen hindeuten:
- Unterordnung
Wer unter Liebessucht leidet, ordnet die eigenen Bedürfnisse und Ansprüche komplett denen des Partners unter. Sogar der eigene Tagesplan wird nach ihm ausgerichtet. Hat er Zeit, wird alles andere verschoben oder abgesagt. Wichtig ist einzig und allein, dass der geliebte Mensch sich wohlfühlt, darum stimmen Betroffene in allen Fragen der Meinung des Partners zu. Sie warten darauf, dass er die Richtung vorgibt und geben sich selbst völlig auf. Der andere soll entscheiden, was gegessen wird, welche Unternehmungen am Wochenende anstehen, und er bestimmt, wohin es in den Urlaub geht. Seine Meinung ist der Maßstab für alles. - Isolation als Signal der Liebessucht
Wann hat sie zuletzt ein Wochenende allein mit ihrer besten Freundin verbracht? Lange her, denn er bleibt nicht gerne allein. Außerdem hat sie gar nicht das Bedürfnis, andere Menschen zu treffen. Er war allerdings in letzter Zeit öfter mit seinen Jungs unterwegs, während sie allein zu Hause auf ihn gewartet hat. Dass das nicht ausgeglichen ist, liegt auf der Hand. Wer seinen Freundeskreis aufgibt, um nur noch für den Partner da zu sein, liebt süchtig und intensiv. Wer obsessive Liebe empfindet, verzichtet auf Einladungen und Termine, weil er auf einen Anruf des Partners wartet oder weil er verfügbar sein will, falls der Partner gerade das Bedürfnis nach Nähe haben sollte. Alles andere ist unwichtig. - Angst vor Verlust und Klammern
Von Liebessucht eingenommene Menschen sehen den einzigen und wahren Lebenssinn ausschließlich in der Beziehung. Die Sorge, etwas zu sagen oder zu tun, dass nicht die Zustimmung des Partners findet, führt bei ihnen zur permanenten Trennungsangst. Ein Leben ohne den anderen erscheint nicht lebenswert und ist unvorstellbar, daher muss möglichst jede Minute gemeinsam verbracht werden. Die Folge: erdrückendes Klammern. Zieht sich der Partner daraufhin zurück, kann dies zu Panik-Attacken, Depressionen oder Schlafstörungen führen. - Obsessive Liebe und mangelndes Selbstwertgefühl
Liebessüchtige beziehen ihr Selbstwertgefühl und ihre Identität ausschließlich aus der Zustimmung und Zuneigung des Partners. Ohne diese fühlt sich der Betroffene wertlos. Egal wie schlecht der Partner ihn behandelt, er stellt sich nicht die Frage „Soll ich mich trennen?“, da er dazu nie in der Lage wäre. Selbst wenn er merkt, dass ihm die Beziehung jede Kraft raubt und ihm nicht guttut, verharrt er in dieser Situation. Denn ohne die geliebte Person, über die sich sein Wert definiert, ist er nur eine leere Hülle.
Liebessucht: Das kannst du als Partner tun
Leidet der Partner darunter, ist das auch für das Objekt der Begierde nicht leicht. Diejenigen berichten von einem Gefühl, erdrückt zu werden. Sie fühlen sich in eine Rolle gedrängt, die sie nicht einnehmen wollen. Die Erwartungen, die der andere stellt, sind zu hoch für einen normalen Menschen: Wie soll man es ertragen, ganz allein für Glück und Unglück eines anderen Menschen verantwortlich zu sein? Folgende Strategien können euch beiden helfen, wenn dein Partner unter krankhafter Liebe leidet:
- Unterstützung
Was ein liebessüchtiger Partner braucht, ist vor allem Unterstützung auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben an deiner Seite. Mach ihm immer wieder klar, dass er geliebt wird und dir sein Glück am Herzen liegt. Zeige, dass du dir nichts mehr wünschst als ein aktives, selbstbestimmtes Leben für den anderen. Ermuntere ihn zu eigenen Unternehmungen und fordere ihn auf, sich mit Freunden zu treffen. So hilfst du ihm dabei, sich aus der Abhängigkeit und der Liebessucht zu lösen und gewinnst gleichzeitig mehr Freiraum für dich selbst. - Offene Gespräche
Sprich mit deinem Partner offen darüber, wie sehr du dich durch seine Eifersucht und sein Klammern eingeschränkt fühlst. Vermittle ihm, dass du freiwillig und gern mit ihm zusammen bist, aber nicht jede Minute deines Lebens erreichbar sein kannst. Plädiere für mehr Vertrauen, denn Kontrolle hat nichts mit wahrer Liebe zu tun. - Gemeinsame Planungen gegen Liebessucht
Ihr möchtet ein romantisches Wochenende verbringen und plant einen Städtetrip? Dann fordere deinen Partner auf, ein Ziel und ein Hotel für die Unternehmung zu zweit auszusuchen. Mach ihm klar, dass du diesmal nicht die Richtung vorgeben willst, sondern neugierig auf seine Sichtweise bist. Akzeptiere das ausgewählte Ziel ohne jede Kritik. Dieses Vorgehen kannst du auf jeden Lebensbereich übertragen. Ziehe dich von Planungen und Vorgaben zurück. Lass den anderen die Führung übernehmen. So hilfst du dem Liebessüchtigen, sich über seine eigenen Wünsche klar zu werden und kannst gleichzeitig die anstrengende Rolle des Vorreiters ablegen. - Paartherapie
Holt euch Hilfe, wenn du dich mit der Liebessucht des Partners allein überfordert fühlst. Eine Paartherapie kann helfen, Defizite und Potenziale auf beiden Seiten zu erkennen und eingefahrene negative Verhaltens- und Denkmuster zu durchbrechen. Nützt auch das nichts, kann das der letzte Ausweg und der Trennungsgrund sein.
So befreist du dich aus den Zwängen und überwindest deine Liebessucht
Fühlst du dich ertappt? Wenn auch deine Gedanken ausschließlich um den Liebsten kreisen, können dir die folgenden Tipps helfen, sich aus der Obsession zu befreien. Denn Liebessucht ist heilbar.
- Allein aktiv werden |Gibt es etwas, das du schon immer einmal tun wolltest, aber nie getan hast, weil dein Partner keine Lust dazu hatte? Geh los und tu es! Für den Anfang darfst du ganz kleine Schritte machen. Besuche alleine ein Museum, gehe zum Shopping in die Stadt oder lerne tanzen. Werde aktiv – aber ohne deinen Partner! Etwas Neues zu probieren stärkt das Selbstvertrauen, und das ist die Grundlage für den Weg aus der Liebessucht. Auch eine neue Sportart kann hilfreich sein, denn beim Sport nehmen wir den eigenen Körper sehr bewusst wahr und konzentrieren uns ganz auf uns selbst. So stärken wir sowohl das Körperbewusstsein als auch die Selbstwahrnehmung — beides sehr wichtige Unterstützer an deiner Seite, wenn du die krankhafte Liebe ablegen möchtest.
- Selbstvertrauen entwickeln | Da der Grundstein der Liebessucht der Gedanke ist, allein nichts wert zu sein, ist es absolut essenziell, dass du ein solides Selbstwertgefühl entwickelst. Du bist genug, du brauchst niemanden, der ständig bestätigt, dass du liebenswert bist. Nimm an Workshops und Coaching-Runden zum Aufbau von Selbstbewusstsein teil. Wenn es dir nicht alleine gelingt die Liebessucht zu überwinden, solltest du dir therapeutische Hilfe holen. Nur so könnt ihr eine gleichberechtigte Partnerschaft führen, die auf gegenseitigem Vertrauen basiert.
- Grenzen setzen, Wünsche erkennen | Höre aufmerksam in dich hinein. Wo liegen deine Grenzen? Welches Verhalten deines Partners willst du tolerieren, was ist dir zu viel oder zu wenig? Lerne dich besser kennen und vergleiche deine Wünsche mit der aktuellen Lebenssituation. Auch das stärkt dein Selbstvertrauen und hilft dir dabei, die Liebessucht loszuwerden. Mit der Zeit wirst du erkennen, dass du eine liebenswerte Person bist, die sich die Zuneigung des anderen nicht erst verdienen muss. Akzeptiert dein Partner deine neuen Grenzen dauerhaft nicht, solltest du die Beziehung besser beenden.
- Kontakte pflegen und die Liebessucht hinter sich lassen | Ändere die selbstgewählte Isolation und gib sie auf! Vernachlässige deine Freunde und Familie nicht. Nimm wieder Kontakt auf, triff dich regelmäßig mit Freunden. So baust du dir Stück für Stück wieder ein eigenes Leben auf und bekommst Unterstützung auf deinem Weg aus der Liebessucht.
- Selbsthilfegruppe finden | Wege aus der Sucht sind immer lang und steinig. Wenn du mit deiner obsessiven Liebe nicht allein fertig wirst, schließe dich einer Selbsthilfegruppe an. Hier lernst du gemeinsam mit anderen Betroffenen, dass du ganz allein für dein Glück verantwortlich bist.
Liebessucht erkennen und beheben
Ist ein Partner involviert, leiden beide. Der Süchtige, weil er nie genug bekommt und sein ganzes Dasein darauf ausrichtet, und der andere, weil er sich eingeengt mit unerfüllbaren Erwartungen konfrontiert sieht. Ständig erreichbar sein, alles entscheiden müssen, der Mittelpunkt des Universums für den Partner sein. Will das Paar die Beziehung auf Dauer erhalten, müssen beide daran arbeiten, die Liebessucht zu überwinden.
Tipps zum Umgang in Kürze
Betroffener
- Aktivitäten ohne Partner starten
- Selbstvertrauen entwickeln
- Eigene Wünsche erkennen
- Kontakte zu Freunden und Familie pflegen
- Selbsthilfegruppe finden
Partner
- Unterstützung zu einem selbstbestimmten Leben bieten
- Offen darüber reden
- Entscheidungen an den anderen abgeben
- Paartherapie starten
- Letzter Ausweg: Trennung