Bindungsangst – Erkennen, Verstehen und Bewältigen: Eine Anleitung zu Anzeichen, Ursachen und Umgang mit Bindungsängsten
Die Angst vor emotionaler Nähe oder davor, sich an einen Partner zu binden, kann verschiedene Hintergründe haben. In den letzten vier Jahrzehnten hat sich die Psychologie ausgiebig mit dem Thema Bindungsangst beschäftigt und Ursachenforschung betrieben. Wir erklären dir, was es mit der Bindungsphobie auf sich hat, woran du sie erkennst und wie du sie professionell bewältigen kannst.
Inhalt:
Die Ursachen von Bindungsangst
Die Angst eine Beziehung einzugehen oder sich fest an einen Partner zu binden, ist ein Phänomen, das heutzutage nicht selten anzutreffen ist. Die Ursachen einer Bindungsangst können aber individuell unterschiedlich gelagert sein. Vor allem zwei Aspekte fallen dabei ins Gewicht:
1. Die Rolle frühkindlicher Erlebnisse: Wie negative Einflüsse unsere Fähigkeit zur Bindung beeinträchtigen können
Negative Erlebnisse haben maßgeblichen Einfluss auf unser Bindungsverhalten. Diese müssen sich nicht unbedingt auf partnerschaftlicher Ebene abgespielt haben. Häufig lassen sich Bindungsängste schon auf frühkindliche Prägungen zurückführen, wie unser Paartherapeut Eric Hegmann verdeutlicht:
„Bindungsstörungen wie Bindungsangst und Verlustangst gehen auf traumatisch erlebte Erfahrungen zurück, vor allem in der frühen Kindheit, aber durchaus auch in der individuellen Beziehungsbiografie, beispielsweise nach einer sehr schmerzhaften Trennung oder dem plötzlichen Verlust eines geliebten Menschen.“
2. Die Bedeutung der Bindungstheorie: Wie unsere Beziehung zu den Eltern unser späteres Bindungsverhalten prägt
Die Psychologie kennt allerdings noch andere Ursachen für die Ausprägung einer Bindungsangst. Ausschlaggebend kann auch das Bindungsverhalten zu den Eltern sein. Der britische Kinderarzt und Kinderpsychiater John Bowlby hat laut Hegmann hierbei ganze Pionierarbeit geleistet:
„Die Bindungstheorie von John Bowlby basierte auf Beobachtungen der Kindheitserfahrungen in den ersten Lebensjahren mit der engsten Bezugsperson, meist der Mutter. Der Schmerz vor Zurückweisung oder wenig Beachtung kann ängstliche Überzeugungen auslösen:
- „Ich bin nicht gut genug!“
- „ Ich störe.“
- „ Ich muss mir Liebe verdienen.“
Oder eher vermeidende:
- „Ich kann mich nur auf mich selbst verlassen.“
- „Sobald ich jemanden nahe an mich heranlasse, kann der mich wieder verletzten.“
Solche Glaubenssätze sind die Grundlage von Schutzstrategien, um nicht erneut verlassen zu werden. Bei Bindungsangst ist die Strategie besonders erfolgreich, weil das Bedürfnis nach Nähe immer als gefährlicher erlebt wird als der Wunsch nach Autonomie und Selbstbestimmung. Bindungsangst ebenso wie Verlustangst haben ihren Ursprung in einem verletzten Selbstwert, der vor weiterer Verletzung geschützt werden soll.“
Offensichtliche und versteckte Anzeichen: Wie Bindungsangst das Verhalten in Beziehungen prägt
Während im historischen Kontext (bei Carter und Sokol) noch von „aktiven und passiven Beziehungsverweigerern“ die Rede ist, sprechen aktuelle Forscher wie Amir Levine und Rachel Heller von der Schutzstrategie Autonomie und Selbstbestimmung. Sie steht im direkten Gegenzug zur Strategie des Klammerns und Festhaltens, die bei Menschen mit extremer Verlustangst auftritt. Doch was sind die genauen Anzeichen einer Bindungsphobie? Wie verhalten sich Männer mit Bindungsangst? Wie die Frauen? Im Folgenden wollen wir euch offensichtliche wie versteckte Symptome aufzeigen, die auf eine Bindungsangst zurückzuführen sind.
1. Offensichtliche Anzeichen
- Kontaktabbruch und Ghosting: Gerade nach einer Phase intensiver emotionaler Nähe, kann es schnell zum bösen Erwachen kommen. Wenn es ernst wird, reagieren Frauen wie Männer mit Bindungsangst häufig mit Kontaktabbruch. Auch Ghosting ist eine Strategie, die Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten. Sehr auf Kosten des anderen.
- Emotionale Distanz: Ebenso kann ein kühles und abweisendes Verhalten die Folge sein. Emotionale Nähe wird als Bedrohung angesehen. Dies führt häufig zu irrationalen Reaktionen wie Ausreden oder Streit.
- Mangelndes Verantwortungsbewusstsein: Verpflichtungen aus dem Weg zu gehen, kann ebenfalls eines der Symptome bei einem Mann oder einer Frau mit Bindungsangst sein. Manche scheuen Verbindlichkeiten auch erst, wenn es sehr plötzlich darum geht, mehr Verantwortung zu übernehmen.
- Unentschlossenheit: Die Bindungsangst spiegelt sich nicht selten auch in entscheidungsschwachen Beziehungsverhalten von Männern und Frauen wider. Deren Plädoyer geht dann häufig in Richtung On-Off-Beziehungen.
- Rückzug: Ebenso kann auch Distanzierung und Abstand ein Hinweis auf Bindungsangst beim Mann oder bei der Frau sein. Dies kann sich beispielsweise in Flucht in die Arbeit, Hobbys, aber auch in sexueller Zurückhaltung äußern.
2. Versteckte Anzeichen
Während bei den oben genannten Punkten häufig klare und sichtbare Entscheidungen getroffen werden, kann sich eine Bindungsangst noch viel versteckter im Unterbewusstsein abspielen. „Ich gerate immer an die Falschen“ ist beispielsweise eine nicht seltene Äußerung bei Frauen mit Bindungsangst. Der Mechanismus dahinter: Man verliebt sich in jemanden, der offensichtlich nicht zu einem passt. Aber auch eine widersprüchliche Partnerwahl sowie das Ausblenden von geeigneten Partnern sind Ergebnisse dieser Schutzstrategie.
Wie du mit der Bindungsangst des anderen umgehst
Es kann zur Herausforderung werden, einen Mann oder eine Frau mit Bindungsangst zu erobern. Schließlich kann das unbeständige Wechselspiel von Nähe und Distanz in einem nicht enden wollenden Teufelskreis münden. Folgende Tipps können nützlich sein, wenn du deinem Gegenüber helfen möchtest, seine Bindungsangst zu überwinden.
- Mach ihm/ihr keine Vorwürfe.
- Akzeptiere diese Angst und hilf deinem Gegenüber, diese Angst zu erkennen und anzunehmen.
- Versucht gemeinsam, die Gründe hinter der Angst herauszufinden.
- Hilf ihm/ihr dabei, durch Anerkennung, Liebe und Bestätigung den Selbstwert zu steigern.
- Bleib optimistisch und geduldig.
- Mach auf die positiven Erfahrungen von (emotionaler) Nähe aufmerksam.
- Sucht gegebenenfalls professionelle Hilfe.
Wie du deine eigene Bindungsangst bewältigst
Habe ich Bindungsangst? Wenn du bei den oben genannten Symptomen Anzeichen bei dir erkennst und etwas daran ändern möchtest, besteht auch die Möglichkeit, sich professionelle Hilfe zu suchen.
„Auch die psychologisch betreute Therapie Ihrer Bindungsangst ist sinnvoll, da dort die Ursachenforschung professionell begleitet wird. Dabei lernen Sie Ihre Gefühle adäquat zu äußern“, rät Psychologe Eric Hegmann. „Emotionsfokussierte Therapien gelten heute als besonders Erfolg versprechend beim Umgang mit Traumata. Dabei wird weniger den Gründen der erlebten Verletzung nachgegangen als die primären Emotionen untersucht, vor denen sich die Betroffenen nun durch ihr beispielsweise bindungsängstliches Verhalten schützen wollen, um dann solche negativen Schutzstrategien aufzulösen und durch positive Verhaltensweisen zu ersetzen.“
Bindungsangst: Hol dir das Vertrauen zurück!
Denke daran, dass eine Bindungsangst immer eine Schutzstrategie ist. Für einen Partner kann dies natürlich schnell zur Belastungsprobe werden. Liebe ist aber auch, Verständnis aufzubringen und verstehen zu lernen, warum dein Gegenüber in vielen Punkten anders tickt. Steck daher den Kopf nicht gleich in den Sand. Hol dir das Vertrauen zurück und gib der Liebe eine Chance!