Bisexualität: Was es bedeutet, bisexuell zu sein
Gibt es Bisexualität wirklich? Für viele scheint es die Grenzen ihrer Vorstellungskraft zu sprengen, dass Menschen sich sexuell sowohl zu Männern als auch Frauen gleichermaßen hingezogen fühlen können. Auf der anderen Seite gibt es aber auch das Lager jener, die daran zweifeln, dass man ausschließlich hetero- oder homosexuell veranlagt ist. Immerhin hat eine Parship-Umfrage ergeben, dass fast ein Drittel der weiblichen Singles sowie zehn Prozent der Männer nicht gänzlich ausschließt, sich ins eigene Geschlecht zu verlieben – ganz nach dem alten Motto „Ein bisschen bi schade nie“.
Inhalt:
Doch was bedeutet bi? Und mit welchen Vorurteilen und Schwierigkeiten haben bisexuelle Menschen sowohl bei der Partnersuche als auch in Beziehungen zu kämpfen? Wir klären auf.
Bisexualität: Was heißt bi?
Die Vorsilbe „bi“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „zwei“. Bisexualität bezeichnet demnach die sexuelle Orientierung oder Neigung, sich zu mehr als einem Geschlecht sowohl emotional als auch sexuell hingezogen zu fühlen. Als Adjektiv ist „bi“ heutzutage als gängige Kurzform gebräuchlich. In der Psychologie war Bisexualität ein umstrittener Begriff. Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts bezeichnete er das Vorhandensein von zweierlei Geschlechtsmerkmalen an einer Person. Erst später fand dieser Begriff als sexuelle Orientierung in der Umgangssprache ihren Niederschlag.
Während Sigmund Freud schon 1915 davon ausging, dass die ursprüngliche Anlage des Menschen bisexuell sei, wurden noch bis in die 1970er Jahre hinein Bisexualitäts-Thesen von vielen Psychoanalytikern ausgeblendet. Inzwischen hat sich viel geändert. Laut einer Studie des britischen Meinungsforschungsinstituts YouGov aus dem Jahr 2015 gaben fast die Hälfte der Befragten zwischen 18 und 24 an, bisexuelle Veranlagungen zu haben. Als Grundlage diente die 0-6-Skala des Sexualforschers Alfred Charles Kinsey von 1948, wobei Null ausschließlich heterosexuell und Sechs ausschließlich homosexuell bedeutet. Die Stufen dazwischen stehen für bisexuell. Interessant ist: Von den 11.000 Männern, die Kinsey Ende der 1940er Jahre befragt hatte, gaben 90 bis 95 Prozent an, bis zu einem gewissen Grad bisexuell zu sein. Dabei ging es vor allem um körperliche Erfahrungen.
Doch wenn es ums Verlieben geht, relativieren sich die Zahlen wieder. Laut einer Parship-Studie gaben im Durchschnitt nur zwei Prozent der befragten heterosexuellen Männer und Frauen an, dass sie sich auch unvoreingenommen in jemand verlieben könnten, der das gleiche Geschlecht hat.
Die Wissenschaft ist sich bei diesem Thema bis heute immer noch uneins. Während einige Wissenschaftler Bisexualität bei vielen Menschen als Phase betrachten, weil sie nicht offen zu ihrer Homosexualität stehen (dürfen), gibt es Forscher, die Bisexualität durchaus als eigenständige sexuelle Ausrichtung deklarieren.
Bisexualität: Immer noch ein Stigma
Wenn sich schon die Wissenschaft bei diesem Thema entzweit, wie soll es erst einem bisexuellen Mann oder einer bisexuellen Frau gehen? Auch innerhalb der LGBTQ-Community gibt es leider immer noch Vorbehalte gegenüber bisexuellen Menschen. Auch wenn Lesben, Schwule und Transsexuelle für das Recht auf vielfältige Liebe kämpfen, gibt es auch hier Menschen, die Bisexualität nicht ernst nehmen. Bisexuelle Menschen sehen sich immer noch mit dem Vorurteil konfrontiert, als unentschlossen zu gelten. Die bisexuelle Orientierung wird damit nur als vorübergehende Phase abgestempelt, bis man sich eben endgültig entschieden hat, hetero- oder homosexuell zu sein.
Ein weiteres Vorurteil: Menschen, die sich als bi outen, würden sich nur wichtigmachen wollen. Gerade Stars aus der Film- und Musikindustrie würden es mit einem bi-Outing lediglich darauf anlegen, Medieninteresse zu wecken und für Gesprächsstoff zu sorgen.
Als Grenzgänger zwischen hetero- und homosexuell sind Bisexuelle gleich von zwei Seiten Diskriminierungen ausgesetzt. Weil sie eben nicht so leicht in Schubladen zu stecken sind und permanent missverstanden werden, leiden bisexuelle Menschen auch häufiger an Einsamkeit und psychischen Leiden.
Bisexualität und Partnersuche
Auch bei der Partnersuche haben es Bisexuelle nicht immer leicht. Schließlich fühlen sie sich zu beiden Geschlechtern hingezogen. Wenngleich die Auswahl damit um ein Vielfaches größer zu sein scheint, besteht die Herausforderung vor allem darin, den Partner zu finden, der die eigene sexuelle Orientierung auch ernst nimmt. Nicht wenige bisexuelle Singles verbergen daher ihre sexuelle Orientierung bei der Partnersuche. Viele Menschen haben deshalb oft keine Ahnung von der bisexuellen Neigung ihres Partners oder ihrer Partnerin. Die Folge ist, dass diese Partnerschaften nicht selten unter Unaufrichtigkeit sowie Unzufriedenheit leiden.
Inzwischen haben aber viele Online-Partnervermittlungen reagiert und geben bisexuellen Menschen auch beim Online-Dating endlich ein Gesicht. Während einige Agenturen sich sogar ausschließlich auf die bisexuelle Partnersuche spezialisiert haben, bieten andere Plattformen mit entsprechenden Suchoptionen ein breit gefächertes Spektrum für sämtliche sexuelle Orientierungen an.
Bisexualität und Beziehung
Auch in Beziehungen werden Bisexuelle immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. Nicht nur die Vorliebe für beide Geschlechter kann für Verunsicherung sorgen, auch der Gedanke, dass man selbst als Partner nicht genügt und immer etwas fehlt, bringt Zweifel mit sich. Ist eine monogame Beziehung mit einem Bisexuellen nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt? Erfordert eine bisexuelle Partnerschaft automatisch oder zumindest auf Dauer eine Öffnung der Beziehung?
Die Antwort auf beide Fragen lautet: nein! Wer sich zu seiner Bisexualität bekennt, offenbart in erster Linie, dass er oder sie sich eine Beziehung mit beiden Geschlechtern vorstellen kann. Das muss nicht bedeuten, dass man beides auch gleichzeitig ausleben muss oder will – wie dies im Fall einer polyamoren Partnerschaft wäre. Bisexuelle sind deswegen nicht weniger treu oder untreu als Hetero- oder Homosexuelle.
Bin ich bisexuell? Diese Anzeichen verraten es dir
Ist es nur eine Experimentierphase? Oder hast du das Gefühl, dass du plötzlich bisexuell geworden bist? Dann mach den Test! Folgende Anzeichen könnten auf Bisexualität hindeuten.
- Du hast bereits bisexuelle Erfahrungen gemacht.
- Du findest sowohl männliche als auch weibliche Körpermerkmale sexuell anziehend.
- Du hast sowohl männliche als auch weibliche Anteile an dir und lebst beides gerne aus.
- Männer und Frauen findest du gleichermaßen sexy.
- Dich faszinieren bisexuelle Geschichten in auf der Leinwand oder in Romanen.
- Du hast bisexuelle Träume und Fantasien.
- Dein Freundeskreis zeichnet sich durch erhöhte Diversität (schwul, lesbisch, trans) aus.
- Dich reizt es, sexuell anders zu sein und Dinge auszuprobieren.
- Du bist auch in Gleichgeschlechtliche verliebt.
Fazit: Bisexualität – raus aus dem Schubladendenken
Egal, wo man sich selbst auf der Kinsey-Skala einordnen würde, eines steht fest: Bisexualität muss vom alten Schubladendenken befreit werden. Nur so können Diskriminierung, Stigmata und Vorurteile endlich abgebaut und Bisexuelle in ihrer sexuellen Orientierung ernst genommen werden. Die Liebe untersteht schließlich keinem monosexuellen Monopol, sondern ist frei, facettenreich, bunt und vielfältig wie das Leben selbst.