Rosarote Brille: Mann und Frau sind verliebt und frühstücken im Bett
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Die rosarote Brille absetzen: Von der ersten Verliebtheit zur Liebe des Lebens

11.06.2018 Jana Weinberg

Wolke 7, die rosarote Brille, der Himmel hängt voller Geigen. Das kann nur eines bedeuten: Eine neue Liebe. Und diesmal ist es garantiert für immer! Diesmal ist alles anders, diesmal ist der Partner absolut perfekt! Die kleinen Eigenheiten sind doch eher süß als störend und dass die anderen sagen, du lässt dich täuschen, stört dich nicht. Das Leben ist einfach herrlich und am liebsten würdest du die ganze Welt umarmen vor Glück. Doch wie lange hält diese rosarote Brille an?

Inhalt:

Was macht die rosarote Brille mit uns?

Ja, eigentlich wolltest du eine schlanke, große Frau mit heller Wallemähne. Jetzt ist die Auserwählte eben brünett, hat Kurven und reicht dir gerade bis zur Brust. Und der Kurzhaarschnitt sieht bei ihr einfach umwerfend aus. Wenn es eine tragen kann, dann sie! Und natürlich liebst du jedes Gramm an ihr.

Wenn am Partner einfach alles perfekt zu sein scheint, ist wohl die rosarote Brille im Spiel. Und nicht nur der Partner, auch alle anderen Menschen erscheinen plötzlich so nett und höflich wie nie. Es regnet heute? Egal! Der Chef ist schlecht gelaunt? Na und? Es gibt wichtigeres! Wer frisch verliebt ist, ist optimistisch bis zur Naivität. Er sieht in allem nur das Gute und Schöne. Er fühlt sich selbst stark und interessant und ist überzeugt, dass dieser Partner das Liebesglück ist. Was sollte auch noch besser werden?

Verklärte Sicht auf sich und den Partner

Wer die rosarote Brille trägt, schätzt die Attraktivität seines Partners wesentlich besser ein, als sie objektiv ist. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der Universität Groningen, bei der 70 Paare die Attraktivität des Partners beurteilen sollten. Aber nicht nur der Partner wird überschätzt, auch das eigene Erscheinungsbild scheint laut Studienergebnis ein neues Level erreicht zu haben. Zumindest in den eigenen Augen – und denen des Partners natürlich. Eigentlich dachtest du ja immer, du hättest eine viel zu große Nase, aber dein Partner sagt, diese Nase gibt dir so viel Charakter! Stimmt eigentlich, warum ist dir das nie aufgefallen? Stupsnase ist langweilig! Und die viel zu breiten Hüften? Blödsinn, sagt er, du hast eine Traumfigur mit den richtigen Kurven an den richtigen Stellen. Warum nicht mal einen Minirock oder ein enges Kleid kaufen? Du kannst es dir leisten! Diese verklärte Sicht auf alles und jeden ist ganz typisch für die Phase des ersten Verliebtseins.

Welchen Sinn hat die rosarote Brille?

Nicht nur im Herzen, sondern auch im Gehirn entsteht das Gefühl. Ein wilder Hormon-Cocktail sorgt dafür, dass wir jeglichen Zweifel an der Beziehung verlieren. Wir sind uns sicher, diesmal den Richtigen gefunden zu haben. Hier bleiben wir für immer, hier sind unsere Ressourcen gut investiert. Das Gehirn ist schließlich dafür zuständig, für unser Überleben und unsere Fortpflanzung zu sorgen. Wir sind blind vor Liebe. Mit der verklärten Sicht auf den Partner schaffen wir es durch die erste Phase der Liebe, in der die Beziehung eigentlich noch zerbrechlich ist. Wer sich schon am Anfang über die kleinen Macken „typisch Mann“ oder „typisch Frau“ aufregt, denkt wahrscheinlich auch schon über eine Trennung nach, bevor die Beziehung die Chance hatte, sich zu festigen und in die nächste Phase überzugehen. Der Mix aus den Hormonen Oxytocin, Adrenalin, Serotonin, Neurotrophin und Testosteron sorgt dafür, dass wir uns ganz sicher sind und auf jeden Fall an der Beziehung festhalten. Und genau hier liegt auch die Gefahr.

Welche Gefahren bringt die rosarote Brille mit sich?

Die verklärte Sicht auf den Partner endet nicht bei seinem optischen Auftreten. Auch sein Charakter scheint makellos und anbetungswürdig. Während Freunde und Familie im schlimmsten Fall oft unmittelbar erkennen, dass der Partner nicht das Richtige ist, sind wir blind vor Liebe überzeugt, dass der engste Kreis einen eben einfach nicht versteht.  Auch Warnungen von Familie und Freunden vor schlechten Eigenschaften des Partners werden in den Wind geschlagen. Dem Partner können wir bedingungslos vertrauen, egal worum es geht. Bis wir Fehler wieder als solche wahrnehmen, können viele Wochen oder gar Monate vergehen.

Die rosarote Brille: wie lange man sie trägt, ist individuell verschieden

Psychologie-Professorin Heidi Möller von der Uni Kassel verrät:

Der Zustand des absoluten Glücksrauschs, in dem wir die rosarote Brille tragen, dauert zwischen sechs Wochen und sechs Monaten.

Je nach Charakter und individueller Situation dauert es unterschiedlich lange, bis man die rosarote Brille wieder absetzt. Sehen sich beide täglich, geht dieser Prozess schneller voran. Und danach?

Die rosarote Brille ist weg? – Wie es weitergeht

Irgendwann hat sich der positive Rausch der Gefühle zurückgezogen und man blickt der Realität wieder klar ins Auge. So individuell Beziehungen auch sind, folgen sie doch alle den gleichen fünf Phasen:

Phase 1: Friede Freude Eierkuchen

In der ersten Phase der Verliebtheit sehen wir alles durch die rosarote Brille und die Schmetterlinge toben im Bauch.

Phase 2: Die rosarote Brille ist weg

In der zweiten Phase sieht man langsam klarer und nimmt auch die Schwächen und kleinen Macken des Partners wahr. „Warum habe ich das früher nicht bemerkt?“ fragen sich viele bereits in dieser Phase. Plötzlich prüfst du unwillkürlich, ob die Erwartungen, die du hast, vom anderen auch erfüllt werden. Haben wir ähnliche Lebensziele und Gewohnheiten? Passen wir wirklich zusammen? Die ersten kleinen Konflikte entstehen und manch einer denkt vielleicht, dass die Beziehung doch nicht ideal sei und man sich trennen müsste. Wer das nicht tut, hat die Chance, dass sich die Gefühle in wahre Liebe wandeln. Die rosarote Brille ist schon längst abgesetzt.

Phase 3: Gegensätze

Phase drei ist geprägt von Versuchen, den anderen den eigenen Wünschen entsprechend umzuerziehen. Kleine Machtkämpfe sind die Folge, jeder besteht auf seinem Recht. Gegensätze, die es in jeder Beziehung gibt, werden jetzt überdeutlich. Schaffst du es, den anderen so zu akzeptieren wie er ist, hat die Beziehung die Chance, die nächste Phase zu erreichen.

Phase 4: Ich bleibe ich trotz rosaroter Brille

In dieser Phase kennen und akzeptieren beide sich gegenseitig so wie sie sind. Die Grenzen sind abgesteckt und es wird Zeit, die eigenen Interessen wieder verstärkt wahrzunehmen. Man ist ein eingespieltes Team, es gibt ein „wir“ aber genauso ein „ich“.

Phase 5: Zuhause angekommen

In der fünften Phase der Beziehung hat man das Gefühl, endlich angekommen zu sein. Man fühlt sich beim anderen zuhause und die rosarote Brille und Verknalltheit vom Anfang hat sich in tiefe, beständige Liebe gewandelt. Wer es bis hier geschafft hat, hat gute Chancen, tatsächlich den richtigen Partner gefunden zu haben.

Das Geheimnis von Phase 5

Wie schaffst du es nun, aus der Phase der überschwänglich guten Laune in den Beziehungsalltag zu wechseln? Das Gute an der ersten Verliebtheit ist die Illusion, dass der Partner perfekt sei. Versuche, dir ein wenig von dieser Illusion herüber zu retten, auch wenn die rosarote Brille weg ist. Das soll nicht bedeuten, dass du die Augen vor den Eigenarten des Partners verschließen sollst. Aber versuch doch, einen weniger kritischen Blick darauf zu werfen, schließlich haben wir alle unsere kleinen Macken.

Um ein wenig der Leichtigkeit der ersten Wochen in den Alltag der Beziehung zu retten, kannst du einiges tun.

  • Verständnis
    Am Anfang hatte dein Partner in deinen Augen keine Schwächen und Fehler, du warst geradezu blind vor Liebe. Jetzt, wo du weißt, dass auch er nur ein Mensch ist, siehst du bewusst großzügig über diese Schwächen hinweg und hältst sie ihm nicht vor.
    • Kleine Aufmerksamkeiten
      Mach deinem Partner auch im Alltag kleine Geschenke oder hinterlasse liebevolle Botschaften – genauso, wie du es in der Phase der rosaroten Brille getan hast.
      • Selbstbewusst bleiben
        Am Anfang der Beziehung hat dein Selbstvertrauen durch die Liebe des Partners einen echten Kick bekommen. Warum sollte das später nicht mehr so sein? Mäkle nicht an deinem Äußeren herum, sondern behalte die positive Ausstrahlung und Lebensfreude, die du am Anfang der glücklichen Beziehung hattest.
      • Nicht aufgeben
        Sei nicht zu kritisch. Kleine Konflikte und Gegensätze bedeuten nicht, dass man nicht zueinander passt und die Beziehung beenden müsste. Bleib dran, es lohnt sich!

      Fazit: Von der rosaroten Brille zur stabilen Beziehung

      Am Anfang jeder Beziehung herrscht Friede, Freude, Eierkuchen. Der Hormoncocktail sorgt für die Achterbahn der Gefühle und Sternchen in den Augen. Alles ist wunderbar, die Welt ist schön und nichts kann das ändern. So sorgt die Natur dafür, dass wir uns fest an einen Partner binden. Er ist der Richtige! Ganz sicher!
      Die Gefahr, durch die rosarote Brille zu sehen besteht darin, auch schlechte Charaktereigenschaften des anderen zu übersehen. Warnungen der Familie werden missachtet, sodass im schlimmsten Fall üble Täuschungen möglich sind. Wie lange die rosarote Brille anhält, ist individuell verschieden. Ist die erste Phase einer Beziehung vorbei, gilt es, die guten Seiten der Verliebtheit mit in den Alltag zu retten. Wer das schafft, hat eine gute Chance auf eine langjährige, stabile Beziehung, die von Liebe, Vertrauen und Respekt geprägt ist.

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